Die Grüne- oder Agro-Gentechnik ist in Europa/Deutschland fast ein Tabu-Thema. Die derzeitigen Diskussionen zur „Lockerung“ der Gentechnikgesetze für „Neue genomische Techniken“ (NGT) sind zäh und selbst wenn es ein paar Erleichterungen geben sollte, würde es noch viele Jahre dauern, bis die ersten Pflanzen hier auf den Feldern stehen könnten. Inzwischen wird in anderen Ländern mit atemberaubender Geschwindigkeit an gentechnisch optimierten Pflanzen gearbeitet, um sie an den Klimawandel anzupassen, die Erträge zu steigern, essentielle Inhaltsstoffe zu liefern und eine Landwirtschaft mit weniger Dünger und weniger Pestiziden zu ermöglichen. Wo liegt die Zukunft der Grünen Gentechnik?
Man hört in Deutschland und in der EU relativ wenig über die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet gentechnisch verbesserter Pflanzen für die Landwirtschaft. Zurzeit wird in der EU über Lockerungen der Gentechnikgesetze für sogenannte NGT1-Pflanzen diskutiert – ob das den Anbau in Deutschland erleichtern wird, möchte ich bezweifeln. Und ab und zu gibt es mal einen Bericht über neue Aktionen von Greenpeace und Freunden, die seit fast 25 Jahren den Anbau von „Golden Rice“ erfolgreich verhindern. Ansonsten ist es recht still geworden um die „Grüne Gentechnik“. Allerdings gilt das nur für Deutschland/Europa. In anderen Ländern läuft die Entwicklung auf Hochtouren und gentechnisch optimierte Pflanzen werden in vielen Ländern großflächig und erfolgreich angebaut.
Biofortification
„Golden Rice“ wurde 1992 von Ingo Potrykus (Zürich) und Peter Beyer (Freiburg) entwickelt und war die erste „biofortified“ Pflanzensorte, die in Ländern mit Vitamin A Mangel Millionen Menschenleben hätte retten können. Weitere Pflanzen mit erhöhtem Gehalt an wichtigen Spurenelementen (Eisen, Zink) und gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen (GABA) folgten in der Entwicklung. Heute ist Golden Rice durch unendlich viele Klagen, Gerichtsverfahren und Kampagnen zwar die bekannteste und am besten untersuchte gentechnisch veränderte Nahrungspflanze, sie darf aber noch immer nicht angebaut werden. Praktisch erfüllt Golden Rice zwar alle Ansprüche der biologischen Sicherheit und der biomedizinischen Erwartungen der „Biofortification“, technisch ist er jedoch ein „Dinosaurier“ aus den Anfangszeiten der Gentechnik.
Mit der Entdeckung von CRISPR-Cas und anderen „Genscheren“ sind wir heute bei der zweiten oder dritten Generation genetischer Optimierung von Nahrungsmittelpflanzen. Mit den „Neuen genomischen Technologien“ (NGT) werden meist kleinere Mutationen gesetzt, die ähnlich wie bei Mutagenese und Kreuzungen, keine Gene aus anderen Organismen einfügen. Dennoch können damit deutlich verbesserte Pflanzensorten erzeugt werden. Noch ist die Forschung auf diesem Gebiet in Europa/Deutschland exzellent. Wissenschaftler, die ihre Produkte auf den Markt oder wenigstens auf ein Versuchsfeld bringen möchten, sind jedoch in Deutschland falsch und es ist kaum damit zu rechnen, dass sich in den nächsten Jahren daran viel in der EU ändern wird.
China war viele Jahre zurückhaltend mit einer offiziellen Stellungnahme zur Agro-Gentechnik, zeitweilig wurde sie sogar abgelehnt. Inzwischen haben Forschung und Entwicklung jedoch zumindest mit der westlichen Welt gleichgezogen und ihr vermutlich sogar den ersten Rang abgelaufen.
Der Reis-Workshop in Los Banos
Im November 2025 fand ein großer, internationaler Reis-Workshop in Los Banos – Laguna (Philippinen) statt.
Dabei wurden Ziele und bisherige Erfolge einer Zusammenarbeit zwischen IRRI (International Rice Research Institute) und der Chinese Academy of Agricultural Sciences (CAAS) vorgestellt. Es lohnt sich, einmal in den verlinkten Artikel zu schauen denn was dort alles in der Entwicklung ist bzw. bereits auf Versuchsfeldern angebaut wird, kann man sich hier kaum vorstellen:
Widerstangsfähigkeit gegen Trockenheit
Widerstandsfähigkeit gegen Hitze
Widerstangsfähigkeit gegen Überflutung
Widerstangsfähigkeit gegen Versalzung
Weniger Bedarf an Dünger
Weniger Bedarf an Pestiziden
Weniger Methanproduktion
Höhere Erträge auf weniger Fläche
Höherer Gehalt an Eisen (gegen Eisenmangel)
Höherer Gehalt an Zink (gegen Zinkmangel)
Niedriger glykämischer Index
Längere Haltbarkeit Höherer Gehalt an Antioxidanzien
Was wird mit diesen neuen Sorten passieren?
Diese Eigenschaften sind keine wilden Träume, die Reissorten gibt es bereits in mehr oder weniger fortgeschrittenen Versuchs- und Erprobungsstadien. China prescht auch auf diesem Gebiet vor und wird die Landwirtschaft revolutionieren. Dabei wird man sich kaum darum kümmern, ob Greenpeace und andere NGOs mit dem Anbau dieser Pflanzen einverstanden sind oder nicht. Und wenn auf den Philippinen, in Thailand oder in Indonesien der Anbau verboten werden sollte – wen kümmert es? Dann wird eben in China angebaut und gewinnbringend exportiert. Ein humanitäres Projekt wie beim Golden Rice (bei dem Saatgut kostenlos an Kleinbauern verteilt werden sollte) wird es mit China wohl kaum geben.
Es ist selbstverständlich, dass neue Pflanzensorten sorgfältig geprüft werden müssen, ehe sie in großem Maßstab angebaut und auf den Markt bebracht werden dürfen. Das ist in Europa durch die Prüfung und Lizensierung neuer Sorten geregelt. Wie andere Länder das umsetzen, können wir kaum beeinflussen.
Reis ist die Nahrungsgrundlage für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Aber es ist natürlich nicht die einzige Pflanze, an der intensiv gearbeitet wird, um sie mit den neuen genomischen Techniken zu optimieren. Ähnliche Ziele, besonders zur Anreicherung essentieller Vitamine und Spurenenelemente sowie zur Klimaanpassung und mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft werden in anderen Pflanzen wie Hirse, Maniok, Mais und anderen verfolgt.
Landwirtschaft mit gentechnisch optimierten Pflanzen hat sich in einigen Fällen bereits durchgesetzt und wird sich weiter und immer schneller durchsetzen. Dass Europa eine Insel der „Gentechnikfreiheit“ wird, ist äußerst unwahrscheinlich und gewiss nicht zielführend. Es ist nur eine Frage, ob Europa dazu einen Beitrag leisten und damit auch Einfluss auf sinnvolle Regulierung nehmen will.
Autor: Wolfgang Nellen, BioWissKomm, 29.12.2025

