mRNA Impfstoffe: woher sie kommen und wohin sie gehen.

Die Verleihung der Nobelpreise in Stockholm ist ein Anlass, noch einmal auf die Auszeichnung von Katalin Kariko und Drew Weissmann zur Entwicklung von mRNA Impfstoffen zu kommen – wir hatten hier schon darüber berichtet.
Wolfgang Kerler von 1E9 hatte mich zu einem Interview eingeladen in dem wir noch einmal versucht haben, die Errungenschaften der beiden Preisträger verständlich zu diskutieren (deutsch).
Inzwischen ist auch die Nobel-Vortrag (englisch) abrufbar.
Der ist etwas anspruchsvoller und erfordert mehr wissenschaftliches Verständnis. Ich gebe zu: beim Vortrag von Drew Weissmann musste ich mich auch anstrengen! Die neueren Fortschritte die er beschreibt sind aber atemberaubend, wenn sie in der Praxis realisierbar werden!

Weitere bahnbrechende Entwicklungen

  • Die Zielfindung von Impfstoffen (also genau das Organ zu erreichen, das man erreichen will) ist inzwischen weit fortgeschritten.
  • Die Kombi-Impfung mit bis zu 70 (!) verschiedenen mRNAs scheint erfolgreich zu sein.
  • Man hat Tricks gefunden, um verschiedene Antworten des Immunsystems unabhängig von einander zu modulieren.
  • Die Möglichkeit, sehr teure Gentherapien (z.B. hier) durch eine „Impfung“ zu ersetzen, scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein.

Witz und Tiefsinn

Man beachte die Halskette von Katalin Kariko! So ganz kann ich’s nicht identifizieren, das ist aber mit ziemlicher Sicherheit ein Pseudo-Uridin! ????

Halskette von Katalin Kariko
Screenshot aus dem Nobelvortrag

Man beachte die Liste der Kooperationspartner am Ende von Drew Weissmanns Vortrag (Katalin Kariko hatte die im Laufe des Vortrags genannt). Wie schon im Interview gesagt: Wichtige Entdeckungen werden nicht mehr von zwei oder drei Menschen gemacht. Eigentlich sollten 200 auf der Bühne stehen! Beide Preisträger haben das in ihren Vorträgen ausdrücklich gewürdigt.

In der Einleitung wurde deutlich gemacht, dass die Entwicklung der RNA-Modifikationen nicht unmittelbar auf eine Anwendung ausgerichtet war. Die Forschung war von Neugier getriebene Grundlagenforschung – der Nutzen stellte sich später erst heraus!

Mehrfach wird die Bedeutung von Fotokopierern genannt. Sie waren ein Treffpunkt von Wissenschaftlern, die in einer Schlange warteten um sich wissenschaftliche Publikationen zu kopieren. Dabei kamen sie ins Gespräch und bisweilen entwickelten sich daraus Zusammenarbeiten. Durch die Digitalisierung sind Fotokopierer überflüssig geworden – ob das den wissenschaftlichen Fortschritt hemmt?

Wissenschaftskommunikation am Fotokopierer
(BioWissKomm by Midjourney)

Fast jeder Abschnitt in Karikos Vortrag endet mit dem Satz „Und dann wurde ich gefeuert.“ Das gibt zu Denken. Hat sie ihren Erfolg letztendlich dem Umstand zu verdanken, dass ihre Arbeitsverträge immer nach ein paar Jahren gekündigt wurden? Schließlich hat sie am neuen Arbeitsort immer wieder wichtige Kollaborationspartner gefunden. Für Wissenschaftler ist es bestimmt nicht schlecht, mal den Arbeitsplatz zu wechseln. Aber so viel Zurückweisung hält nur eine „starrköpfige“ Frau wie Katalin Kariko aus!

Gleiches gilt für finanzielle Förderung: kaum ein Forschungsprojekt kann ohne Fördergelder voran kommen. Auch da ist Kariko immer wieder auf Ablehnung gestoßen. Diese Fehleinschätzung sollte den staatlichen und privaten Geldgebern äußerst peinlich sein!  

Titelbild:
Impfung: BioWissKomm by Midjourney
(mal wieder etwas problematisch mit den Fingern! ????)

Autor:
Wolfgang Nellen