Gregor Mendel wird 200 Jahre alt! Happy Birthday!

Was bringt es, ein Erinnerungsritual für einen alten Mönch zu feiern, der vor 200 Jahren geboren wurde und dann Erbsen gezüchtet hat? Zumal sich damals niemand für seine akribischen Aufzeichnungen wirklich interessierte und sie auch schnell in Vergessenheit gerieten? (Bis zum Jahr 1900 als Hugo de Vries und Carl Correns Mendels Arbeiten wiederentdeckten.)

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Mendels Leistung liegt in drei wesentlichen wissenschaftlichen Innovationen: er hat für die Vererbungslehre den „Reduktionismus“ erfunden. Das heisst, statt einer ganzheitlichen Betrachtung der Erbse hat er sich auf einzelne Merkmale wie Farbe, Form, Größe konzentriert. Das war die wichtigste Voraussetzung, um die „Mendel’schen Regeln“ überhaupt entdecken zu können.

Zweitens hat Mendel gearbeitet und nicht nur die Erbse betrachtet um ihre Vererbung zu verstehen. Er hat in die Natur eingegriffen, Fremdbestäubung verhindert und gezielt einzelne Pflanzen gekreuzt.

Drittens hat Mendel genau gezählt und damit praktisch die quantitative Genetik begründet. Natürlich waren die Zahlenverhältnisse die er herausfand, nicht exakt 1 : 3 oder 9 : 3 : 3 : 1. Aber er hat „über den Daumen“ gerechnet und seine Regeln statistisch abgeleitet.  

Ein ganz wichtiger Punkt für das heutige Wissenschaftsverständnis: Mendel hat Grundlagenforschung betrieben. Die weitreichenden Auswirkungen seiner Arbeit auf die Pflanzen- und Tierzucht oder das Verständnis von Erbkrankheiten beim Menschen waren ihm nicht bewusst, aber er hat eine Basis gelegt, die unsere Gesellschaft geprägt hat: indirekt hat er den wesentlichen Beitrag geleistet, dass wir durch Tier- und Pflanzenzucht heute 8 Milliarden Menschen mehr oder weniger gut ernähren können.

Fun facts:
1. Neben Gregor Mendel ist Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie einer der “Giganten der Biologie”. Hätten sie ihre Daten diskutiert, wäre das wohl ein weiterer, riesiger Sprung für den Fortschritt der Biologie gewesen. Wussten die beiden Forscher überhaupt voneinander? (https://www.scinexx.de/dossierartikel/mendel-und-darwin/)
Darwin kannte Mendel mit größter Wahrscheinlichkeit nicht. Aber Mendel hatte “On the Origin of Species” gelesen und stimmte der Evolutionstheorie weitgehend zu. Das war bemerkenswert zumal die Kirche zur damaligen Zeit Evolution ablehnte.

2. Die dritte Mendel’sche Regel (Unabhängigkeitsregel) gilt nur für Gene, die ungekoppelt auf verschiedenen Chromosomen liegen. Drei von den Genen, die Mendel untersucht hat, liegen auf Chromosom 4, zwei auf Chromosom 1 und zwei auf Chromosom 5. Zumindest Le (Pflanzengröße) und V (Samenform) liegen so dicht beieinander, dass er eine Kopplung hätte feststellen müssen. Diese Kreuzungen hat er aber anscheinend nie gemacht!
Glück gehabt! Das Ergebnis hätte ihn wohl sehr verwirrt!

https://doi.org/10.1525/abt.2011.73.7.3 (paywall!)
Eine der ersten genetischen Karten der Erbsenchromosomen. Die von Mendel benutzten Merkmale (Gene) sind eingekreist.

3. Mendels statistische Daten sind “zu gut”. Bereits 1936 vermutete der Statistiker R.A. Fisher, dass Mendel seine Daten “frisiert” hat: statistisch wäre es unwahrscheinlich, dass die Zahlen so gut zur Theorie passen. Die Frage wird man kaum noch lösen können. Wer die Fisher-Mendel-Kontroverse ausführlich nachlesen will: https://www.colorado.edu/physics/sites/default/files/attached-files/mendelfishercontroversy.pdf
Helmut Wirths macht einen interessanten Vorschlag, wie man das Problem im Mathematikunterricht behandeln kann.
https://www.stochastik-in-der-schule.de/sisonline/struktur/jahrgang25-2005/heft3/2005-3_wirths.pdf Beide Kritikpunkte sind wissenschaftlich berechtigte Fragen. Sie ändern jedoch nichts daran, dass Mendel mit seiner Forschung einen Meilenstein in der Genetik gesetzt hat.